Liebe Freundinnen und Freunde,

es gibt Urteile, die formal eine Niederlage, in der Sache aber eigentlich
ein Erfolg sind, wie das Urteil des VGH zum 2. Bürgerbegehren, dass die
Möglichkeiten der Berufung beim Bundesverwaltungsgericht und damit die
Chance einer grundsätzlichen Klärung der Vereinbarkeit der Mischfinanzierung
von S21 mit dem Grundgesetzt eröffnet. Wie ist es mit dem Freispruch
Wolfgang Sternsteins durch das Landgericht Stuttgart wenige Stunden vor
Beginn der 276. Montagsdemo?

Wenn ein beharrlichen Gegner von S21 und prominenter Protagonisten des
zivilen Ungehorsams vom Vorwurf der nötigenden Sitzblockade, so das Urteil
des Amtsgerichts Stuttgart, freigesprochen wird, dann ist das eine
überraschende, auch moralische Neubewertung des zivilen Widerstands gegen
ein absurdes Projekt. Aber was ist es noch?

Hier zunächst Anmerkungen von Eisenhart von Loeper, dem Anwalt Sternsteins,
der die mündliche Begründung des Freispruchs durch den Vorsitzenden Richter
Skujat einordnet:

„Die Strafvorschrift der Nötigung setzt voraus, dass „rechtswidrige Gewalt“
ausgeübt wird, die aber nur dann (nach Absatz 2 der Vorschrift)
„rechtswidrig“ ist, wenn sie „zu dem angestrebten Zweck als verwerflich
anzusehen ist“.

Das Gericht hatte zur Prüfung dieser Frage etliche Polizeibeamte und
natürlich Wolfgang Sternstein zum Ablauf der Sitzblockaden genau befragt und
hat den Freispruch darauf gestützt, dass das Tatverhalten nicht
„verwerflich“ einzustufen sei. Dabei spielten die Motive des Angeklagten,
seine Biografie und die Missstände, gegen die er sich auflehnt“ (s. hierzu
die bemerkenswerte Rede Sternsteins vor Gericht/Anlage), „eine wesentliche
Rolle, ebenso – fußend auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
von 2011 –  die näheren Umstände der Sitzblockaden, deren Dauer und
Ausgestaltung an einem symbolträchtigen Ort, das Wie des Ablaufs ebenso wie
die Tatsache etwa, dass nach dem Einschreiten der Polizei am selben Tag
nicht weitergemacht wurde.

Die Strafkammer ist damit nicht der von Wolfgang Sternstein eindringlich
kritisierten sog. Zweiten-Reihe-Rechtsprechung des Bundesgerichtshof
gefolgt, nach der die Verwerflichkeit indiziert wird aus der angewendeten
„Gewalt“, sondern sie hat  den unbestimmten  Begriff der Verwerflichkeit –
wie das Bundesverfassungsgericht – im Sinne der höherrangigen
Verfassungsnorm des Versammlungsrechts nach Artikel 8 Grundgesetz ausgelegt
und dabei der kommunikativen Botschaft der Blockierenden im Interesse der
Lebendigkeit der Demokratie hohe Bedeutung beigemessen.

Das Gericht hat zugleich betont, dass dies kein Freibrief für Sitzblockaden
sei. Als verwerflich gilt nur, was „sozialwidrig“ ist. Das Verständnis
darüber ist im Wandel. Der Richter hat selbst die „schwammige Vorschrift“
kritisiert, die weder für die Polizei noch für die Demonstranten
Rechtssicherheit schaffe und wie hier erst vier Jahre nach dem Vorgang
Klarheit schaffe, ob ein strafbares Verhalten vorlag oder nicht. Dabei sei
allerdings auch von der Polizei übersehen worden, dass das Grundrecht der
Versammlungsfreiheit zu beachten sei. Bei Kenntnis dessen hätte die Polizei,
so der Vorsitzende Richter, die Versammlung auflösen können. Bei Verstoß
dagegen hätten dann Sanktionen nach dem Versammlungsgesetz einschließlich
strafrechtlicher Maßnahmen ergriffen werden können. Nicht auszuschließen ist
also, dass der Konflikt dann auf solcher Ebene neu – und dann ggfs. ohne
Freispruch – neu entbrennt.“

Die von Wolfgang Sternstein gewünschte Richtervorlage an das BVerfG wegen
Verfassungsverstoßes des Nötigungsparagrafen in der BGH-Auslegung durch die
Zweite-Reihe-Rechtsprechung hat das Gericht nicht aufgegriffen, weil das
BVerfG zuletzt 2011 „austariert“ habe, wie die Vorschrift auszulegen sei und
die Chance für eine nochmalige Korrektur deshalb gering sei.

Das eine Ziel des Verfahrens, die Spielräume für zivilen Ungehorsam
perspektivisch durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu erweitern,
ist also erstmal nicht erreicht. Allerdings ist ein Berufungsfall
geschaffen, der hoffentlich Vorbild für andere Fälle sein wird.

Das zweite Anliegen des Verfahrens war, einen  „rechtfertigenden Notstand“
(§ 34 StGB) – der dem zivilen Ungehorsam gegen schweres Unrecht nahe kommt“
(v. Loeper) feststellen zu lassen, in dem die Blockaden Sternsteins in
Verhältnis zu dem Unrecht gestellt werden, die das Projekt Stuttgart 21
darstellt. Hierzu hatte Eisenhart von Loeper vier ausführliche Beweisanträge
gestellt und in diesem Zusammenhang die Ladung von Herrn Grube und Frau
Merkel gefordert. Die Lawine, die damit losgetreten worden wäre, umging das
Gericht quasi durch Sternsteins Freispruch.

Es bleibt also insoweit dabei: die Justiz kreist um den heißen Brei, schiebt
die Verantwortung von hü nach hott und traut sich nicht ran an die
Schlüsselfragen von Stuttgart 21.

In diese Hütchenspielerei passt auch das neuerliche Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts zum inzwischen abgerissenen Haus Sängerstraße.
Irreführend erweckt die Bahn den Eindruck, alles sei in Butter, obwohl die
Verhandlung der wirklich heißen Eisen noch aussteht: „Wir freuen uns, dass
die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtmäßigkeit der
Planfeststellungsbeschlüsse höchstrichterlich bestätigt wurde“, sagte Peter
Sturm, Geschäftsführer der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH zu dem Beschluss
(AZ: BVerwG 3 B 5.15). Das ist irreführend.

Kuhn angefressen

Stuttgart ist Tatort von Stuttgart 21

Kerpen ist Michael Schumacher, Dresden wird immer mehr Pegida-Stadt und
Stuttgart ist inzwischen Stuttgart 21 – die Stadt, die ihr Gesicht verliert
und zum Tatort von Deutschlands dümmsten Großprojekt wird. Ein solcher
Reputationsschaden muss jeden OB und eigentlich alle Verantwortlichen von
IHK bis Gewerkschaftsspitzen elektrisieren. Was macht Kuhn?

Er versucht Stuttgart 21 den Makel des Korrupten zu nehmen: S21 sei „keine
Wiese für Heuschrecken .. der Eindruck, dass finanzstarke und korrupte
Investoren in Stuttgart den Immobilienmarkt bestimmen“, sei falsch.
www.stuttgart.de/item/show/273273/1/9/568783?plist=homepage

Stimmt: Die große Korruption, die von vielen Kriminologen und Mafiaexperten
längst mit Stuttgart 21 verbunden wird, ist (noch) nicht belegt. Bisher ist
keiner beim Rüberschieben von Schmiergeld erwischt worden. Der Betrug läuft
hier anders: Tief verfilzte politische und ökonomische Interessen haben es
bisher geschafft, ein völlig absurdes Projekt mit Manipulationen und
handfesten Lügen über die rechtliche, parlamentarische und mediale Hürden zu
hieven, eine Volksabstimmung auf erstunkener und erlogener
Geschäftsgrundlage inbegriffen. Dieser Eindruck von Lug und Trug dürfte der
Grund für Niki Stein gewesen sein, seinen brillanten Krimi vor der Stuttgart
21-Kulisse zu inszenieren.

Wer der Rufschädigung der Stadt entgegen wirken will, sollte sich mit ihren
Gründen befassen statt das Projekt reinzuwaschen und Flausen von
Bürgerbeteiligung zu verbreiten.

Zu Kuhns Tatort Kritik:

·        PM des Aktionsbündnisses

·        Tom Adler zu Kuhns Tatort-Kritik

·        Walter Sittler in SWR am Morgen danach

·       StZ vom 22. Juni: Fritz Kuhn wehrt sich gegen Krimi-Plott

Wer  den Tatort verpasst hat, kann ihn in der ARD-Mediathek (wegen Jugendschutz nur zw. 20 Uhr und 6 Uhr abrufbar) anschauen.

Musikalisches, Informatives und Aktives …

Infotisch transparente Bahnpreise

Freitag, 26. Juni, ab 16 Uhr Bahnhofshalle (Nische; ehem. Durchgang Gleis
13/14)

Mit der BahnCard 25, zu ergattern in Nutella-Gläsern, zu fünft für 44,25 EUR mit der DB (egal wie) an die Ostsee oder Nordsee fahren? Mit dieser
Billigheimerstrategie versucht die Bahn aus ihrer selbst verschuldeten Defensive gegenüber den Fernbussen rauszukommen und ruiniert damit zunehmend
Transparenz und Verlässlichkeit ihres Preissystems. Nie kann man sich sicher sein, ein günstiges Ticket zu erstehen. Schnäppchenjäger mit viel Zeit für
Surfen im Netz finden immer noch ein besseres, auch wenn es nur für ein paar Stunden zu haben ist.

Siehe hierzu auch WISO-Beitrag von 2014:
www.youtube.com/watch?v=5s9ERePAvWU. Nähere Infos und Beispiele zu erfragen
bei Andreas Kegreiß  AndiKeg@aol.com

Siehe auch:
www.bei-abriss-aufstand.de/2015/06/24/informations-aktion-absurde-fahrpreise-der-deutschen-bahn/

FRÜHSTÜCK gegen Stuttgart 21

am Sonntag, 28. Juni 2015, 11 bis 13 Uhr, Ecke
Nordbahnhofstraße/Otto-Umfrid-Straße

Das Nordbahnhofviertel ist extrem von Stuttgart 21 betroffen – sowohl beim Bau als auch nach seiner Fertigstellung:

• Zerstörung des Rosensteinparks

• Belastungen durch die zentrale Baulogistik

• Immobilienspekulation-Mieten explodieren

Eisenbahnerwohnungen zum dritten Mal weiterverkauft. Diesmal von der Südewo
an die Deutsche Annington. Bahn hält sich nicht an Planfeststellungen. Viele
Gründe für Protest von allen, nicht nur der unmittelbar Betroffenen!

s. a.:
http://www.parkschuetzer.de/assets/statements_neu/000/183/410/original/Fruehstueck2.pdf

Knapp:
Winter statt Stopper neuer (Co-)Fraktionsvorsitzender der Gemeinderatsgrünen

Während Jochen Stopper, wie übrigens auch Werner Wölfle und zeitweise Peter
Pätzold zu ihren besseren Zeiten Mitglieder des Aktionsbündnisses waren, ist
der neu gewählte Andreas Winter bei S21 ein unbeschriebenes Blatt. Was nichts heißen muss!?

Timo Kabel
483 Photos von Widerständigen

In einer Ausstellung zum Kirchentag hat Timo Kabel diese Portraitphotos
vorgestellt:

Köpfe für den Kopfbahnhof

Timo, mach weiter (und all die anderen Photographen), wir sind noch viel
mehr!

Meinungsmache der IHK – wie bei Stuttgart 21
Kakteen protestieren gegen TTIP Werbung in IHK-Mitgliederzeitung

„Nicht zum ersten Mal hat sich ein offizieller Vertreter der IHK in der
Mitgliederzeitschrift „Magazin Wirtschaft“ zu wirtschaftspolitischen
Positionen in eindeutiger, meinungsbildender Art und Weise geäußert – ohne
die Auffassung andersdenkender IHK-Mitglieder zu berücksichtigen oder nur zu
nennen. Mittlerweile sind sich die Autoren nicht einmal mehr zu schade,
Kritiker dabei herabzusetzen.

„Seit Monaten dürfen wir beobachten, wie das geplante Handelsabkommen
zwischen der EU und den USA (TTIP) zum Blitzableiter gesellschaftlicher
Ängste und Frustrationen wird.“ So und ähnlich geht der Geschäftsführer
International, Tassilo Zywietz, in seinem Editorial der aktuellen
Juni-Ausgabe des IHK-Mitgliedermagazins „Magazin Wirtschaft“ zur Sache –
ohne ein einziges Sachargument für TTiP anzuführen. Seiner Meinung nach sind
die Argumente der Gegner nur „Parolen“, die aus der „Mottenkiste“ geholt
werden, weiter unterstellt er allen Gegnern „Antiamerikanismus“ als Grund
für ihre Ablehnung.

Damit meint er folglich Menschen des gesellschaftlichen Lebens wie den
EKD-Ratsvorsitzenden, Bedford-Strohm, der sich noch letzte Woche auf dem
Kirchentag in Stuttgart gegen TTIP positioniert hatte, genauso wie
Unternehmer, beispielsweise den BVMW-Präsidenten Mario Ohoven, der sich als
Sprecher seines Verbandes vehement gegen die in TTIP vorgesehenen
Schiedsgerichtsverfahren äußert, sowie viele der eigenen IHK-Mitglieder, die
ebenfalls dem transatlantischen Handelsabkommen – zumindest in vielen Teilen
– kritisch gegenüberstehen.

Das Mitgliedermagazin ist nach eigener Bezeichnung als Service-Organ für die
rund 160.000 Mitglieder der IHK Region Stuttgart gedacht. Es stellt sich nun
für viele dieser Mitglieder die Frage, wie sich ihre Zwangsmitgliedschaft
und die dafür gezahlten Beiträge verträgt mit einem Magazin, das nur für
einen (sehr mächtigen) Teil der Unternehmer spricht und alle mit einer davon
abweichenden Meinung respektlos herabwürdigt. Hier wiederholt sich in
gewisser Weise wie bei Stuttgart 21 die Meinungsmache für eine Sache, die
bekanntermaßen ja vom Verwaltungsgericht Stuttgart gestoppt wurde!

Bei TTIP ist mittlerweile der Diskurs – erst angestoßen durch das
Bekanntwerden einiger Verhandlungspositionen – schon wesentlich weiter, als
Herr Zywietz das zulassen möchte. Mit wehenden Fahnen vertritt er daher eine
Meinung, die sich für eine öffentliche Körperschaft, in der die Mitglieder
zwangsverpflichtet sind, in Inhalt und Form nicht geziemt.“ (aus Kakteen
Info)

Rückfragen an:

Martina Ueberschaar 0172 6205937

Bernd Carle 07152 41666

Thomas Albrecht 0163 7438893

Clemens Morlok 07156 490 293

Last und wirklich nicht least

Der Schutzgemeinschaft Filder wurde jetzt nach langem Bemühen die
“Anerkennung nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz” zugestanden. Sie hat also
jetzt die Klageberechtigung als Umweltschutzverband, allerdings mit der
regionalen Beschränkung auf den Filderraum. Gratulation zu belohnter
Hartnäckigkeit!

Sehr lesenswert

http://www.zukunft-mobilitaet.net/51192/analyse/hochgeschwindigkeitszuege-wirkung-fernverkehr-wirtschaftlicher-nutzen/
> Hochgeschwindigkeitszüge zerstören das europäische Bahnnetz

Der Hochgeschwindigkeitszüge werden oft als ökologische Alternative zum
Luftverkehr gepriesen. Laut Internationalem Eisenbahnverband (UIC) spielt
der Hochgeschwindigkeitsverkehr eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu mehr
Nachhaltigkeit und dem Kampf gegen den Klimawandel.  Autor Martin
Randelhoff, Eisenbahnwissenschaftler und Raumplaner, Studium an der TU
Dresden, beschreibt theoretisch und aus praktischer Erfahrung, dass das
Gegenteil der Fall ist. Der Hochgeschwindigkeitsverkehr zerstört die
wertvollste Alternative zum Flugzeug; das „langsame“ Eisenbahnnetz, welches
bereits seit mehreren Jahrzehnten besteht.
http://www.zukunft-mobilitaet.net/51192/analyse/hochgeschwindigkeitszuege-wirkung-fernverkehr-wirtschaftlicher-nutzen/

Winnie Wolf über Zusammenhänge
.. zwischen Stuttgart 21 und dem vorherrechenden Umgang mit dem GdL-
Konflikt und der Griechenlandkrise (Rede auf der 275. Montagsdemo), s.
Anlage

SÖS-LINKE-PluS – Anträge im Gemeinderat

·       Rederecht für Vertrauenspersonen bei Debatte im Gemeinderat zu Storno21 und Leistungsrückbau durch S21

·      Ökologische und finanziellen Risiken durch den Bau des Nesenbachdüker abwenden